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Arbeitsrecht – Schriftgutachten und Verdachtskündigung (LAG Hamm, Beschl. v. 30.08.2016 – 7 TaBV 45/16)

By 19. Januar 2017Arbeitsrecht

Will der Arbeitgeber einem Betriebsratsmitglied kündigen, so kann er dies bis auf wenige Ausnahmen nur außerordentlich gemäß § 103 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG). Demgemäß benötigt er zuvor die Zustimmung des Betriebsrates. Verweigert der Betriebsrat die Zustimmung, kann der Arbeitgeber beim Arbeitsgericht beantragen, dass dieses die Zustimmung des Betriebsrats ersetzt.

Kürzlich hatte das Landesarbeitsgericht Hamm darüber zu entscheiden, wie stark der Verdacht sein muss, wenn der Arbeitgeber die Pflichtwidrigkeit einer Arbeitnehmerin zwar nicht nachweisen kann, hierfür jedoch starke Anhaltspunkte hat (LAG Hamm, Beschl. v. 30.08.2016 – 7 TaBV 45/16). Die Arbeiterwohlfahrt, die insgesamt 59 Seniorenzentren betreibt, beabsichtigte, sich durch außerordentliche Kündigung von der klagenden Arbeitnehmerin zu trennen. Anlass waren Trauerkarten mit der handschriftlichen Eintragung „für Dich (bist die nächste)“ die an drei aufeinanderfolgenden Tagen in das Postfach der Wohnbereichsleiterin eingelegt worden waren.

Die beklagte Arbeitgeberin ermittelte in verschiedene Richtungen und ließ auch ein Privatgutachten zur Handschrift anhand verschiedener Schriftproben anfertigen. Der Gutachter kam zu dem Ergebnis, dass der handschriftliche Zusatz mit „hoher Wahrscheinlichkeit“ von der Klägerin stammte. Über diesem Wahrscheinlichkeitsgrad hätte es nur noch mit „an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit“ und „sehr hoher Wahrscheinlichkeit“ gegeben. Das LAG bestätigte die Vorinstanz und ersetzte die Zustimmung zur Kündigung nicht. Der beklagte Arbeitgeber hätte den Sachverhalt weiter aufklären und insbesondere die Klägerin ausreichend anhören müssen. Die Wahrscheinlichkeit des Schriftgutachtens genüge nicht für eine Verdachtskündigung.

Autor: Rechtsanwalt Tobias Michael