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Arbeitsrecht – Kündigung wegen Pflichtverletzung bei Datenerhebung (BAG, Urt. v. 17.11.2016 – 2 AZR 730/15

By 28. September 2017Arbeitsrecht

Nach § 32 Abs. 1 Satz 1 BDSG dürfen personenbezogene Daten eines Beschäftigten für Zwecke des Beschäftigungsverhältnisses u.a. dann erhoben, verarbeitet oder genutzt werden, wenn dies für dessen Durchführung erforderlich ist. Im Spannungsverhältnis hierzu steht das Interesse des Beschäftigten, möglichst wenige Daten über sich erheben zu lassen. Um die gegenseitigen Rechte und Pflichten verbindlich zu regeln, schließen häufig der Betriebsrat und der Arbeitgeber eine Betriebsvereinbarung. Eine solche Betriebsvereinbarung ist für alle Beschäftigten verbindlich.

In einem aktuellen Fall hatte das Bundesarbeitsgericht darüber zu entscheiden, ob ein Busfahrer aufgrund einer Betriebsvereinbarung anonymisiert den Einsatz eines elektronischen Warn-und Berichtssystems dulden muss (BAG, Urt. v. 17.11.2016 – 2 AZR 730/15). In diesem sogenannten RIBAS-System werden Daten darüber gespeichert, wenn etwa hochtourig gefahren wurde, es im Leerlauf Zeitüberschreitungen gab, scharf gebremst werden musste oder die Geschwindigkeit überschritten wurde. Eine Dauerüberwachung erfolgte jedoch nicht.

Der klagende Beschäftigte weigerte sich mehrfach, an diesem System teilzunehmen. Nach mehreren Abmahnungen wurde ihm gekündigt. Zu Recht wie das BAG entschied. Der Arbeitgeber habe ein berechtigtes Interesse daran gehabt, die Beförderungsumstände in Erfahrung zu bringen, um hierauf reagieren zu können. Der Kläger habe nicht erkennbar begründen können, weshalb die anonymisierte Teilnahme am RIBAS-System für ihn unzumutbar sei.

In der Entscheidung des BAG hierzu heißt es u.a.

[26] (1) Zu dem durch Art. 2 Abs. 1 iVm. Art. 1 Abs. 1 GG geschützten allgemeinen Persönlichkeitsrecht gehört das Recht auf informationelle Selbstbestimmung. Dieses garantiert die Befugnis, selbst über die Preisgabe und Verwendung persönlicher Daten zu befinden (BVerfG 11. März 2008 – 1 BvR 2074/05 ua. – BVerfGE 120, 378; BAG 21. November 2013 – 2 AZR 797/11 – Rn. 45, BAGE 146, 303). Der Achtung dieses Rechts dient zudem Art. 8 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) (BAG 21. November 2013 – 2 AZR 797/11 – aaO; BGH 15. Mai 2013 – XII ZB 107/08 – Rn. 14). Die Bestimmungen des Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG) über die Anforderungen an eine zulässige Datenverarbeitung konkretisieren und aktualisieren den Schutz des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung. Sie regeln, in welchem Umfang im Anwendungsbereich des Gesetzes Eingriffe durch öffentliche oder nichtöffentliche Stellen iSd. § 1 Abs. 2 BDSG in diese Rechtspositionen zulässig sind (vgl. BAG 21. November 2013 – 2 AZR 797/11 – aaO).
[27] (2) Danach ist das Recht des Klägers auf informationelle Selbstbestimmung durch die in § 4 BV begründete Verpflichtung, zumindest mithilfe des anonymisierten Schlüssels am RIBAS-System teilzunehmen, nicht verletzt. Zwar hat der Kläger in die damit verbundene Erhebung, Verarbeitung und Nutzung personenbezogener Daten nicht iSd. § 4 Abs. 1 BDSG eingewilligt. Diese ist aber gem. § 32 Abs. 1 Satz 1 BDSG und damit durch eine Rechtsvorschrift iSd. § 4 Abs. 1 BDSG gerechtfertigt. Es bedarf demnach keiner Entscheidung, ob auch allein die Regelungen der BV eine die Datenerhebung, -verarbeitung oder -nutzung gestattende Rechtsvorschrift iSd. § 4 Abs. 1 BDSG sein können.

Auf eine von dem Kläger erhobene Verfahrensrüge kam es nicht weiter an.

Autor: Rechtsanwalt Tobias Michael