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Interessenabwägung

Kein Homeoffice statt Kündigung (LAG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 24.3.2021 – 4 Sa 1243/20)

By Arbeitsrecht

Grundsätzlich bestimmt der Arbeitgeber in Bezug auf den Betrieb, wie dieser gestaltet ist und an welchem Ort sich der Betriebssitz befindet. Damit wird zunächst auch der Arbeitsort festgelegt. Im Rahmen einer unternehmerischen Entscheidung zur Änderug dieser Arbeitsbedingungen kann es zu einer Kündigung oder Änderungskündigung kommen. Spätestens im Rahmen der Interessenabwägung würden dann auch mögliche mildere Mittel des Arbeitgebers überprüft werden.

In einem Verfahren vor dem Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg war darüber zu entscheiden, ob Home-Office ein milderes Mittel sein kann (LAG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 24.03.2021 – 4 Sa 1243/20). In dem Verfahren hatte der Arbeitgeber den Arbeitsort von Berlin nach Wuppertal verlagert und eine Änderungskündigung ausgesprochen, in der der Klägerin die weitere Tätigkeit in Wuppertal angeboten wurde. Hiergegen klagte die Arbeitnehmerin mit dem Argument, dass sie ihre Tätigkeiten auch von zu Hause hätte erbringen können, da die Struktur bei der beklagten Arbeitgeberin hierfür ausreichend digitalisiert sei.

Das Arbeitsgericht Berlin gab der Klage noch statt und sah die Möglichkeit des Home-Office als ausreichend milderes Mittel an. Das Landesarbeitsgericht sah dies anders und wies die Klage ab. Bei der Frage einer Umstrukturierung handele es sich um eine unternehmerische Entscheidung, die nur auf Willkür hin überprüfbar sei. Die Arbeitgeberin habe nicht nur bestimmte Änderungen in der Arbeitsstruktur vorgenommen, sondern den gesamten Geschäftsbetrieb verlagert und in Wuppertal gebündelt. Damit sei der Arbeitsplatz der Klägerin weggefallen. In einem ähnlichen Verfahren hatte das Arbeitsgericht Köln eine Klage ebenfalls abgewiesen, die sich auf eine Tätigkeit im Home-Office als milderes Mittel bei einer Kündigung berufen hatte (ArbG Köln, Urt. v. 20.05.221 – 8 Ca 7667/20).

Autor: Rechtsanwalt Tobias Michael, LL.M.oec

Arbeitsrecht – Krankheitsbedingte Kündigung (BAG, Urt. v. 20.11.2014 – 2 AZR 755/13)

By Arbeitsrecht

Sofern jemand unter das Kündigungsschutzgesetz fällt, muss der Arbeitgeber in einem möglichen Rechtsstreit angeben, aus welchem Grund er die Kündigung ausgesprochen hat. Kündigungsgründe können betrieblich bedingt, verhaltensbedingt oder personenbedingt sein. Abhängig vom Kündigungsgrund ist der Arbeitgeber gehalten, zunächst alle Möglichkeiten auszuschöpfen, um eine Kündigung zu vermeiden; die Kündigung soll das allerletzte Mittel sein. Für den Arbeitgeber bedeutet dies ein erhebliches Risiko, einen Prozess zu verlieren, weil eine Kündigung vorschnell ausgesprochen worden ist.

In einer aktuellen Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts (BAG, Urt. v. 20.11.2014 – 2 AZR 755/13) hatte das höchste deutsche Arbeitsgericht darüber zu entscheiden, ob eine Kündigung wegen häufiger Erkrankungen – also eine personenbedingte Kündigung – unwirksam ist, weil der Arbeitgeber vor dem Ausspruch der Kündigung nicht ausreichend versucht hatte, den Arbeitnehmer auf einem „leidensgerechten Arbeitsplatz“ weiter zu beschäftigen. Dieses sogenannte betriebliche Eingliederungsmanagement (bEM) nach § 84 Abs.2 SGB IX soll durch eine leidensgerechte Anpassung der Arbeitsbedingungen eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses vermeiden. Das BAG stellte zwar klar, dass das bEM keine formelle Kündigungsvoraussetzung sei, es jedoch im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung zu berücksichtigen sei. Die Abwägung könne bei einem unterlassenen bEM dazu führen, dass eine Anpassung der Arbeitsbedingungen das zur Beendigung mildere Mittel gewesen wäre. Gleichzeitig stellte das Gericht klar, dass dann, wenn der Arbeitgeber meint, das bEM wäre nutzlos gewesen, er nicht nur dieses nachweisen müsse, sondern auch erklären müsste, warum künftige Fehlzeiten nicht mithilfe von Rehabilitationsträgern zukünftig hätten vermieden werden können.

Autor: Rechtsanwalt Tobias Michael